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10
Jun
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Finanzamt Charlottenburg: Hinter die Hausnummer geschaut


Zugegeben, dass Verhältnis zwischen meinem Finanzamt und mir ist nicht das Beste. Ich bin mit meinen Steuererklärungen seit Jahren im Rückstand.

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Aber darum geht es mir hier nicht. Es geht um das Gebäude, in dem das Finanzamt Charlottenburg residiert. Basierend auf dem Entwurf der Stadtbauräte Brucker und Kepler wurde es 1939 vollendet. Damals war es das größte Finanzamt Berlins. Es besteht aus einem repräsentativen Haupttrakt in der Bismarckstraße, einem Mittelflügel und einem rückwärtigen Gebäudeflügel in der Spielhagenstraße. Hier machen die Bürofenster heute mitunter geradezu einen schmuddeligen Eindruck.

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Insgesamt wirkt das Gebäude eher langweilig und einfallslos. Ein monumentaler Akzent wurde mit der über drei Geschosse reichenden Portalnische am Haupteingang gesetzt. Vier kantige Muschelkalkpfeiler markieren diesen Bereich.

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Besucher die hier eintreten, werden unter einem Adlerrelief mit Hoheitszeichen empfangen. Nur wenige Eingeweihte wissen, dass der Adler in seinen Krallen ein Hakenkreuz umklammert, heute lediglich verdeckt von einer Hausnummernleuchte.

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Auf facebook gibt es eine Seite, die zur Entfernung des Adlers und des Hakenkreuzes aufordert.

Das wäre der falsche Weg. Natürlich haben damals die Befreier alle Symbole des widerlichen Naziregimes im Boden zerstampfen mögen. Heute kann man solche Relikte nutzen, um Auseinandersetzungen mit Kontinuitäten und Erinnerungen an authentischen Orten zu provozieren. Also weg mit der verdeckenden Leuchte, das Hakenkreuz gezeigt und die Behörde in die Pflicht genommen, wie sie nicht nur ihre Naziarchitektur erklärt, sondern auch drüber informiert, welche Rolle die Finanzämter bei der bürokratisch organisierten Beschlagnahme jüdischen Eigentums gespielt haben.

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Das Gebäude liegt an der Ost-West-Achse, die in den Germania-Plänen der Nationalsozialisten für ihre Reichshauptstadt eine zentrale Rolle spielte. Gemeinsam mit der faschistischen Architektur des Finanzamtes bilden die davor platzierten Straßenlaternen ein stimmiges Ensemble. Entworfen hat sie Albert Speer, Hitlers Lieblingsarchitekt und Handlanger, Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt, angeklagt im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof und wegen seiner Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen und zu 20 Jahren Haft verurteilt.

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Adresse: Finanzamt Charlottenburg, Bismarckstraße 48, 10627 Berlin