Archiv für Juli 2008

30
Jul
08

Filmgalerie 451 – Videoverleih


Die Filmgalerie 451 ist mehr als eine Videothek. Es ist eine Schatzkiste für Cineasten. 1987 in Stuttgart von zwei Filmfreaks gegründet gibt es mittlerweile auch Filialen in Konstanz und Berlin. Von Anfang an war es als Archiv für Spielfilme gedacht und im Laufe der Jahre haben die Betreiber einige angesammelt. Man findet nicht nur die aktuellen (und nicht mehr aktuellen) Blockbuster, sondern auch klassische und rare Filmkunst, World Cinema sowie Schräges und Experimentelles.

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Als mit der Etablierung der DVD andere Videotheken begannen, ihre VHS-Videos zu verramschen, versagte man sich hier diesem Trend. Bis heute pflegt und verleiht man den Bestand auf DVD und auf VHS, schließlich gibt es unzählige Titel bis heute nicht als DVD und viele wird es vermutlich nie geben.

Neben den übrigen Genres finden sich an einer riesigen Regalwand Filme nach ihren Regisseuren sortiert.
Nicht alles hat Platz im Laden. Etliche Filme sind im Untergeschoss magaziniert. Den Bestand kann man auch im Internet einsehen (nach Standorten getrennt). Hier gibt es die Bereiche „Suchen“ und „Stöbern“. Erstes für die gezielte Auswahl nach Titel, Person und Inhalt. Die zweite Funktion dient zur Zusammenstellung von Auswahllisten nach Genre, Land, Sprache, Jahr usw. Die Suchkriterien lassen sich miteinander kombinieren. Wenn ich also nach einem deutschen Film aus den Jahren 1918 bis 1920 aus dem Genre Fantasy suche, wird mir die entsprechende Liste der ausleihbaren Filme angezeigt. (In diesem Fall ist sie nur kurz. Sie besteht aus „Der Golem“ und „Das Kabinett des Dr. Caligari“.)

Jugendliche haben Zutritt und dürfen mit eigenem Ausweis die für ihre Altersstufe freigegebenen Filme ausleihen.

Als Reaktion auf die Nachfrage nach ungewöhnlichen Filmen gründete die Filmgalerie 451 ein eigenes Videolabel. Die erste Veröffentlichung war „Das Deutsche Kettensägenmassaker“ von Christoph Schlingensief. Nach eigener Aussage werden Filme veröffentlicht, die „inhaltlich und formal etwas wagen.“ Viele der Regisseure seien Außenseiter im Filmbetrieb, innovativ und unangepasst. Neben Pasolini-Filmen finden sich z.B. in der Debütfilm-Reihe die frühen Werke von Dani Levy und Andreas Dresen.

Es verwundert nicht, dass das Personal mit geballter cineastischer Kompetenz aufwartet. Ohne Überheblichkeit, freundlich und hilfsbereit bekommt man auch auf ungewöhnliche Fragen Auskunft.

„Die Filmgalerie 451 gilt als beste Videothek Deutschlands“, urteilt die Frankfurter Rundschau und ich vermute, damit hat sie recht.

Adresse: Torstr. 231, 10115 Berlin

Leider mußte die Filmgalerie die Räume in der Torstraße aufgeben. Die Neue Adresse:

Filmgalerie Berlin
Invalidenstr. 148
10115 Berlin-Mitte
Tel. 030-23457911
e-mail: info@filmgalerie-berlin.de
Öffnungszeiten: Mo-Sa  12-24 Uhr, Sonn- u. Feiertag  14-24 Uhr.

30
Jul
08

Friedhof und Dorfkirche Alt-Stralau


Als ich vor Jahren einmal mit einer jüdischen Freundin über einen christlichen Friedhof in Berlin-Mitte flanierte, fiel ihr auf, wie wenig alte Gräber es dort gab. Als ich ihr erklärte, dass hier die Gräber nach wenigen Jahrzehnten eingeebnet und die Grabsteine abgeräumt werden, sah sie mich mit aufgerissenen Augen an – schwankend zwischen Ungläubigkeit und Entsetzen. Hätte ich ihr gesagt, wir rösten die Augäpfel unserer Toten über dem Lagerfeuer wie Marshmallows und verzehren sie danach mit Schokoladensauce, hätte ihr Befremden nicht stärker sein können.

Diese Episode kam mir in den Sinn, als es mich nach Jahren wieder einmal auf dem Friedhof der Dorfkirche Alt-Stralau verschlug. Irgendetwas fehlte. Das Grab des alten Bäckermeisters war nicht zu finden. Nach langer Suche entdeckte ich den Grabstein in einem abgelegenen Winkel am Rande des Kirchhofs. Hier, gleich neben den Grün- und Plastikabfällen, sammelt man die alten Grabsteine. Wenn die nötige Anzahl erreicht ist, werden sie vermutlich abgeholt und zu Schotter zermahlen…

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Die letzte Ruhe mit Wasserblick ist also gar nicht die letzte. Alles ist vergänglich.

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Auf dem Friedhof feierte man übrigens auch Jahrhunderte lang am Bartolomäustag, dem 24. August, den Stralauer Fischzug zum Beginn der Fischereisaison. Da dieses Fest, alljährlich mit wüsten Saufgelagen, Schlägereien und unzüchtigen Szenen endete, wurde es 1873 verboten, ab 1880 dann wiederbelebt, aber in die Stralauer Gartenlokale verlegt.

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Die Dorfkirche Alt-Stralau wurde 1464 eingeweiht und ist damit das älteste Gebäude Friedrichhains. Der Bau aus Feld- und Backsteinen hatte immer wieder unter Unwettern und Blitzeinschlägen – und 1945 unter Bombenangriffen – zu leiden. Sie wurde ein ums andere Mal aufgebaut, renoviert und erweitert. Bemerkenswert sind zwei mittelalterliche, farbige Glasfenster (um 1460: Geißelung Christi und Georg im Drachenkampf), ein romanischer Taufstein sowie der Schnitzaltar mit gemalten Seitenflügeln. In den Sommermonaten (Mai bis August) ist die Kirche jeden Sonntag von 11.00 bis 15.00 Uhr geöffnet, jeden ersten Sonntag im Monat um 10.00 Uhr gibt es einen evangelischen Gottesdienst und jeden vierten Sonntag im Monat um 17.00 Uhr ein Konzert.

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Manfred Bofinger, Berliner Grafiker und Karikaturist hat hier seine „letzte“ Ruhe gefunden. Auf seinem Grabstein hockt eine Figur im Schneidersitz, die in ein dickes Buch vertieft ist.

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Man sieht über die Gräber hinweg auf der anderen Seite der Spree die Insel der Jugend, das Gasthaus Zenner und den Treptower Hafen. Teilweise sind die Grabstellen so dicht am Wasser, dass sich die praktische Frage aufdrängt, ob sie beim Ausheben nicht sofort mit Wasser volllaufen müssten.

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Wenn man – wie ich – an einem Wochentagnachmittag im Sommer kurz bevor der Regen kommt, auf einer Bank sitzend die Zeit vergisst und über Grabsteine hinweg aufs Wasser schaut, kann man hier in bittersüßer Traurigkeit schwelgen und seinen Gedanken nachhängen. Wie mag es der eingangs erwähnten Freundin ergangen sein? Vor 15 Jahren hat sie in Australien geheiratet, da erreichte mich noch eine Karte. Danach nichts mehr…Ob der Bäckermeister noch Nachkommen hat, wo mögen sie leben, wissen sie von dem Schicksal des Grabsteins ihres Ahns? Ist es ihnen egal?

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Hier stört einen Niemand. Man ist ganz allein und das gerade mal eine knappe Viertelstunde entfernt von den Treptowers. Dieser Ort ist ein Muss für Melancholiker.

Adresse: Tunnelstraße 5 – 11, 10245 Berlin