Kurz hinter Staffelde fiel die Tochter in den Schlaf, was allerdings nicht viel änderte, denn als Kartenleserin war sie auch schon vorher ein Totalausfall. Na ja, von einer Zweijährigen darf man in diesem Metier wohl auch nicht zu viel erwarten. „Umwege erhöhen die Ortskenntnis“ ist ein Motto, dem ich schon immer viel abgewinnen konnte. Ich hasse Navigationsgeräte, nicht nur weil ich mir nicht gerne sagen lasse, wo es für mich langzugehen hat. Mir genügen flüchtige Blicke in die Karte und ansonsten orientiere ich mich am Stand der Sonne. Jedenfalls hatten wir wohl eine entscheidende Abfahrt verpasst, als wir mit dem Auto auf dem Weg nach Linum waren, um uns dort Kraniche anzuschauen.
Orion. Ein witziger Name für einen Brandenburger Ort. Ich bog spontan von der Hauptstraße ab und hielt nach Spannendem Ausschau. Keine Raumstation, nichts Erotisches, nur Einfamilienhäuser. Der Ort Orion wirkte sehr langweilig. Es war auch später nicht leicht, etwas über ihn zu erfahren. Die Geschichte ist nicht witzig. Der Ursprung des Ortes liegt in der Nazizeit. In einer Rüstungsfabrik auf einer Waldlichtung ließen die Faschisten Leuchtspurmunition fertigen. Daher der Name des Ortes. Geblieben von damals sind nur drei verklinkerte Ingenieursunterkünfte und ein ebenfalls mit Klinkern versehenes Abwassernetz. Irgendwo soll es auch noch die Abschussrampen geben, von denen aus bei Tests die Leuchtmunition ins Kremmener Luch geschossen wurde. An die Zwangsarbeiter, die hier leiden mussten, erinnert vor Ort nichts. Absolut nichts. Anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus im Mai 2005 wurden von der Lokalen-Agenda-21-Gruppe gemeinsam mit der Stadt Kremmen – zu der Orion mittlerweile gehört – und mit Unterstützung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ drei ehemalige ukrainische Zwangsarbeiterinnen, die in ihrer Jugend in der Munitionsfabrik Orion ausgebeutet wurden, eingeladen und betreut. Immerhin.
Adresse: Orion, 16766 Kremmen
Neueste Kommentare