Meine Idee war, mit einem guten Freund eine Reihe von unhippen Berliner Kneipen zu entdecken. Ich schlug ihm vor, am ersten Abend mit dem ”Kaputten Heinrich” zu beginnen. Aber mein Plan ging nicht auf. Nö, kaputte Kneipen hätte er in seinem Leben genug gehabt. Folgerichtig landeten wir im Heinrich. Dieses Restaurant ist alles Andere als unhipp. Dafür sorgen schon die Inhaber Florentine Joop, jüngste Tochter des Mode-Joops und ihr Ehemann der Koch Heinrich Beckmann. Sie betrieben zuvor das Restaurant Barokoko am Nauener Platz in Potsdam. Man möchte an die „Goldenen Zwanziger Jahre“ anknüpfen. Irgendwo habe ich gelesen, dass es sogar Berliner Gerichte der 20er Jahre geben soll. Das ist natürlich Quatsch, denn die Berliner Küche der 20er Jahre unterschied sich wohl kaum von der, der 10er oder 30er Jahre, abgesehen natürlich von der Mangelversorgung im 1. Weltkrieg und dem was, man später zugestanden bekam, wenn man nicht zur Volksgemeinschaft gerechnet wurde. Hunger und Hungerrevolten gab es übrigens auch im Berlin der 20er Jahre. Aber ich schweife ab.
Hinter der denkmalgeschützten Fassade findet man sich in einer Innenausstattung im Stil des „Art Deco“ wieder, zwar nicht immer konsequent und mit einigen Brüchen umgesetzt. Dennoch empfinde ich das Ambiente des hohen, saalartigen Hauptraums als besonders wohltuend. Über eine Treppe erreicht man eine Galerie, ausgestattet mit Club- und Plüschsesseln. Von den Fensterplätzen aus blickt man auf die nahe Volksbühne. Die Farbe Blau dominiert.
Der Service ist aufmerksam. Die Karte angenehm überschaubar. Man verspricht mit saisonal frischen Zutaten zu kochen. Dass nur zwei offene Rotweine auf der Karte stehen ist etwas schwach. Dafür gibt es Staropramen vom Fass.
Der Freund und ich konnten uns Beide nicht zwischen zwei Gerichten entscheiden. Nach einem Sching-Schang-Schong-Urteil, bekam er den „Stolzen Heinrich“, eine Bratwurst in Biersauce mit Kartoffelpüree und Rotkohl. Mir servierte man eine Kalbsleber mit Kartoffelpüree, Zwiebeln und Äpfeln. Abgesehen davon, dass von den zwei (unterschiedlich dicken) Leberstücken das eine etwas zu lange und das andere etwas zu wenig lange gebraten hatte, war Alles sehr ordentlich, aber auch nicht mehr. Es gibt sicherlich Orte wo man ähnliche Qualität preiswerter bekommt. Dafür dann aber auch nicht in so einem Ambiente.
Am Nebentisch saß ein älteres Paar, das mit wichtiger Mine und einem eigenartigen Automatismus jeden Teller fotografierte, der ihnen serviert wurde. Nicht sehr charmant wanderten die entsprechenden Anweisungen dazu vom männlichen zum weiblichen Part. Bestimmt schreiben die für irgend so ein ominöses Online-Bewertungs-Portal…
In meinen Ohren der größte Pluspunkt ist die Musik, die hier gespielt wird. Sie stammte während meiner Anwesenheit tatsächlich aus den 20er Jahren. Es war, als hörte ich meine eigene Schellackplattensammlung – nur die Arbeiterlieder fehlten. Allein dafür werde ich wieder kommen. Aber zunächst stehen zwei total unhippe Lokalitäten im Wedding an. Dazu konnte in den Freund im Laufe des Abends überreden.
Ehemalige Adresse (Das Restaurant gibt es nicht mehr!):
Heinrich
Rosa-Luxemburg-Str. 39-41
10178 Berlin
Tel: 030 1389 9906
http://www.heinrich-restaurant.de/
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